Landtagspräsidentin Barbara Stamm beim Tag der Franken am 6. Juli 2014 in Ochsenfurt im Lkr. Würzburg

Ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm verstorben


Oberbürgermeister Schuchardt: „Würzburg verliert eine Konstante“

Die Ehrenbürgerin der Stadt Würzburg und ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm ist am 5. Oktober 2022 im Alter von 77 Jahren in ihrer Heimatstadt verstorben. Oberbürgermeister Christian Schuchardt zeigt sich von der traurigen Nachricht persönlich sehr betroffen und bekundet dem Ehemann und der Familie der engagierten Würzburgerin sein tief empfundenes Beileid:

„Ich bin von Herzen dankbar, Barbara Stamm immer an der Seite Würzburgs gewusst zu haben. Wir verlieren mit ihr eine große und Würzburg prägende Persönlichkeit, eine Konstante, die sich immer für ihre Heimatstadt und insbesondere für die Schwachen in der Gesellschaft stark gemacht hat. Ich persönlich verliere eine enge und vertraute Wegbegleiterin.“

OB Christian Schuchardt

Für Würzburg habe Barbara Stamm als Abgeordnete, Staatssekretärin, Ministerin, Landtagsvizepräsidentin und -präsidentin ihre Kompetenzen und ihren Einfluss genutzt, um die Interessen der Stadt und der Region in München zur Geltung zu bringen: „Wo sie nicht selbst entscheiden konnte, leistete sie Überzeugungsarbeit, schmiedete Allianzen, überwand Hemmnisse, indem sie die Beteiligten an einen Tisch brachte. So gestaltete sie fast ein halbes Jahrhundert lang die Geschicke der Stadt Würzburg mit. Sie war für uns eine zuverlässige Ansprechpartnerin und couragierte, kämpferische Helferin“, so Schuchardt. „Ihr Tod ist ein Einschnitt für Würzburg.“

Die Stadt Würzburg legt ein Kondolenzbuch für die Ehrenbürgerin aus:

Ab Mittwoch, 5. Oktober 2022, 12 Uhr, vor dem Ratssaal

Kommunalpolitische Ämter

Barbara Stamm wurde 1944 in Bad Mergentheim geboren. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Erzieherin und übte den Beruf bis 1978 aus. Zuletzt als Heimleiterin im Schifferkinderheim. 1969 trat sie in die CSU ein und bekleidete diverse Vorstandsämter auf Kreis-, Bezirks- und Landesverbandsebene. Stamm war von 1972 bis 1987 Mitglied des Würzburger Stadtrats. Mit Kompetenz und Leidenschaft widmete sie sich vor allem den sozialen Belangen der Stadt. Sie setzte sich für die Einrichtung der städtischen Gleichstellungsstelle, des ersten städtischen Kindergartens und des ersten Frauenhauses sowie die Einführung eines kommunalen Erziehungsgeldes ein. 1990 trat Stamm für die CSU als Oberbürgermeister-Kandidatin für Würzburg an, sie erreichte im ersten Wahlgang den dritten Platz und zog nicht in die Stichwahl ein. Barbara Stamm trug entscheidend dazu bei, dass die Stadt Würzburg immer wieder eine sozialpolitische Vorreiterrolle übernehmen konnte, beispielsweise mit Modellversuchen zur Tagesfamilienpflege oder zur Integration von Aussiedlern. Dass die Ganztagsschule am Heuchelhof zunächst als Schulversuch errichtet und dann dauerhaft etabliert werden konnte, ist wesentlich auf ihre Unterstützung zurückzuführen. Auch für die Entlastung der Stadt als Schulträger machte sie sich stark; so setzte sie sich beim Kultusministerium nachdrücklich für die Übernahme des Mozart- und Schönborn-Gymnasiums durch die evangelische Kirche ein. Großprojekte, bei denen sie der Stadt hilfreich zur Seite stand, sind der Ausbau der A3, der barrierefreie Umbau des Hauptbahnhofs, die Ausrichtung der Landesgartenschau 2018 und die Errichtung des Museums für Franken. Auch für die Julius-Maximilians-Universität leistete sie wichtige Weichenstellungen und wurde 2019 zur Ehrensenatorin ernannt.

Barbara Stamm galt als eine der profiliertesten Sozialpolitikerinnen Deutschlands, was ihr den Beinamen „soziales Gewissen der CSU“ einbrachte. „Ihr Engagement war christlich motiviert, leidenschaftlich, souverän, mit der gebotenen Neutralität, von hohem Sachverstand und der ihr eigenen Herzlichkeit. Wenn die Stadt Würzburg derzeit den Aktionsplan Inklusion fortschreibt, ist dies zugleich als Erbe Barbara Stamms zu sehen“, so Schuchardt.

Landespolitische Ämter

1976 zog Barbara Stamm als Nachrückerin über die Liste auch in den Bayerischen Landtag ein, dem sie insgesamt 42 Jahre bis 2018 angehörte. Zehn Mal errang sie über die Liste ein Abgeordnetenmandat, immer mit herausragenden Stimmergebnissen. Sie wurde zu einer der dienstältesten Landtagsabgeordneten Deutschlands. Im Landtag arbeitete sie zunächst im Umweltausschuss, später im Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik. 1987 wurde sie Staatssekretärin und 1994 Staatsministerin im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit. Zu ihren zentralen Anliegen als Vorsitzende der Familienkommission der CSU von 1989 bis 2000 und als Frauenbeauftragte der Staatsregierung von 1993 bis 2001 gehörte die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie leitete das Ministerium bis Januar 2001 und war ab Oktober 1998 zugleich Stellvertreterin des Bayerischen Ministerpräsidenten. Als Staatsministerin und stellvertretende CSU-Parteivorsitzende war Barbara Stamm maßgeblich an wichtigen sozialpolitischen Weichenstellungen auch auf Bundesebene beteiligt. Auf Landesebene wurde sie 2003 Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags und schrieb als erste Frau Geschichte mit der Wahl zur Präsidentin des Bayerischen Landtags am 20. Oktober 2008. 2013 wurde sie wiedergewählt und blieb Landtagspräsidentin bis 2018. Laut der im Januar 2018 veröffentlichten BayernTrend-Umfrage war sie die beliebteste Politikerin Bayerns.#

Stamm war in zahlreichen Ehrenämtern aktiv, u.a. als Vizepräsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes (1989-1999), als stellvertretende Vorsitzende des Diözesancaritasverbandes (2022-2016) und als Vorsitzende des Landesverbandes Bayern der Lebenshilfe (ab 2001). Als langjährige Rumänienbeauftragte der Staatsregierung und Kuratoriumsvorsitzende der von ihr initiierten Bayerischen Kinderhilfe Rumänien trug sie wesentlich dazu bei, die Lebensbedingungen insbesondere behinderter rumänischer Kinder zu verbessern. Für diesen Einsatz erhielt sie die höchste Auszeichnung der Republik Rumänien. Von 2006 bis Oktober 2014 war Stamm Vizepräsidentin des Familienbund der Katholiken. Sie unterstützte zahlreiche soziale Initiativen und war Aufsichtsratsmitglied zahlreicher sozialer Einrichtungen, zum Beispiel Ehrenpräsidentin der Stiftung „Forschung hilft“ des Vereins „Hilfe im Kampf gegen den Krebs“. Barbara Stamm war u.a. Trägerin des Bayerischen Verdienstordens, des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und der Bayerische Verfassungsmedaille in Gold. Die Stadt Würzburg würdigte ihre herausragenden Verdienste um das Wohl ihrer Heimatstadt 2010 mit der Verleihung des Ehrenrings und der Ehrenbürgerwürde im Jahr 2019.

Quelle: Stadt Würzburg

Trauer um Barbara Stamm

Ministerpräsident Dr. Markus Söder: “Mutter Bayerns und Maßstab im Einsatz für ihre Mitmenschen“

Bayern trauert um die ehemalige Staatsministerin, stellvertretende Ministerpräsidentin und Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Sie ist heute im Alter von 77 Jahren verstorben.

“Mit großer Trauer und Bestürzung habe ich vom Tod von Barbara Stamm erfahren. Sie war Bayerns soziales Gewissen, Maßstab und Vorbild im Einsatz für die Mitmenschen. Barbara Stamm hat sich immer für die Belange der Bürgerinnen und Bürger stark gemacht, ihr großes Herz gehörte den Familien und ganz besonders den Schwächsten in unserer Gesellschaft. Mit ihrer Hilfsbereitschaft und Wärme war sie ein Vorbild für viele Menschen – auch für mich ganz persönlich. Ich verneige mich vor ihrem Lebenswerk, sie wird mir als Ratgeberin und Mensch fehlen. Barbara Stamm war die bedeutendste Politikerin im Freistaat und Mutter Bayerns. Einmal von einer Sache überzeugt, konnte sie wie keine andere ihre Mitmenschen für sich gewinnen und für die gute Sache werben. Barbara Stamm war Patin für ihre Heimatregion Würzburg, wie niemand sonst vereinte sie Empathie und Lebensfreude. Ihr Einsatz, ihr ehrliches Interesse am Menschen und ihr Engagement für Bayern und darüber hinaus wird stets in wacher und dankbarer Erinnerung bleiben. Bayern wird Barbara Stamm ein ehrendes Andenken bewahren. In Gedanken sind wir bei ihrer Familie.“

Ministerpräsident Dr. Markus Söder

Zu Ehren von Barbara Stamm ordnet Ministerpräsident Dr. Markus Söder die Trauerbeflaggung aller staatlichen Dienstgebäude in Bayern für den morgigen 6. Oktober 2022 sowie den Tag der Beisetzung (Samstag, 15. Oktober 2022) an.

Grab von Barbara Stamm im Hauptfriedhof in Würzburg
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Quelle: Bayerische Staatsregierung

Würzburg gedachte der ehemaligen Landtagspräsidentin und Ehrenbürgerin Barbara Stamm

Am 29. Oktober 2024 wäre die Ehrenbürgerin der Stadt Würzburg, Barbara Stamm, 80 Jahre alt geworden. Zur Erinnerung an die vor zwei Jahren verstorbene ehemalige Landtagspräsidentin lud die Stadt Würzburg am Vorabend ihres Geburtstages Familie, Freunde und Weggefährten aus Politik und Kirche zu einem Gedenkabend.

Soziale Gerechtigkeit, demokratische Strukturen, der Zusammenhalt der Gesellschaft, eine starke Familienpolitik, Inklusion und Integration waren Barbara Stamms Themen und ihre Ideale verfolgte sie hartnäckig. „Sie war eine Stimme der Vernunft und des Mitgefühls, eine Kämpferin für soziale Gerechtigkeit und eine Mitstreiterin, die ihre Wurzeln nie vergessen hat, eine Brückenbauerin zwischen politischen Lagern und Anwältin der Menschlichkeit“, bezeichnet sie Oberbürgermeister Christian Schuchardt. „Barbara Stamms Verdienste sind nicht bezifferbar. Dabei war ihr Wirken geprägt von einer tiefen Menschlichkeit und einem unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen. Sie scheute sich nicht, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen und für ihre Überzeugungen einzustehen.“ Mut, Geradlinigkeit, Authentizität und ein fester Glaube waren Eigenschaften der Politikerin zum Anfassen, so Schuchardt. Sie fehle als Mensch und es sei die Aufgabe aller, ihre Ideale hochzuhalten und sich für eine gerechtere und menschlichere Welt einzusetzen.

„Sie hat den Menschen in den Mittelpunkt gestellt“, schloss Dr. Günther Beckstein, der ehemalige bayerische Ministerpräsident und langjährige Weggefährte Stamms, in seinem Festvortrag über „Das Soziale in der Politik der Gegenwart“ an. „Sie fehlt überall und ich vermisse sie als soziales Gewissen“, zumal die Gesellschaft drohe auseinanderzufallen. Beckstein streifte in seinem Vortrag die Krankenhausreform, den Haus- und Fachärztemangel, den Mangel an Pflegekräften und mahnte einen Grundpfeiler christlicher Politik an, eine bestmögliche medizinische Versorgung aller Menschen zu ermöglichen, aber wie viel Sozialstaat könne man sich noch leisten? „Ich habe dafür keine Lösung, aber ich weiß, in meiner aktiven Zeit hätte ich Barbara um Rat gefragt“, so Beckstein, die Politikerin mit Bodenhaftung, die zugleich als Landtagspräsidentin eine Idealbesetzung gewesen sei. Schmunzelnd fügte Beckstein hinzu: „Barbara hat auch eine große kulturelle Leistung vollbracht und den Frankenwein nach München gebracht. Heute ist in München bekannt, dass der beste Weißwein ein Franke ist.“
Humor und Geselligkeit zeichneten Stamm genauso aus wie ihre Bodenständigkeit. Einblicke in ein Familienleben, in dem daneben auch die Politik eine Rolle spielte, gewährte an diesem Abend die Tochter Claudia Stamm und dankte Günther Beckstein, nicht nur für seinen Vortrag, mit zwei Flaschen Frankenwein „Rot und Weiß“.

Bodenständigkeit braucht Wurzeln: 1966, als sie aus Gemünden nach Würzburg kam, habe Barbara Stamm zum ersten Mal erlebt, was Heimat ist; eine Heimat, die den Weg in höchste politische Ämter ebnete, so Prof. Dr. Daniela Neri-Ultsch, die Biografin Barbara Stamms. Mit 27 Jahren zog Barbara Stamm in den Würzburger Stadtrat ein, sie selbst wertete diese Zeit als „wichtige, grundlegende Jahre, die das Rüstzeug und den besten Einstieg in die Politik mitgaben“, bevor sie 1976 Mitglied des Bayerischen Landtags wurde, dem sie von 2008 bis 2018 als Präsidentin vorstand. „Ihre Biografie zeigt ihren beispiellosen Aufstieg aus ungünstigen Startbedingungen in höchste Ämter mit herausragender Reputation. Sie gab der Sozialpolitik ein Gesicht“, wertet die Biografin. „Sie ruhte in sich, war einfühlsam, empathisch, menschlich und dabei durchsetzungsstark und hartnäckig“, fasste Neri-Ultsch zusammen.

Ehrengäste der Feierlichkeit waren Ludwig Stamm mit den Kindern Claudia, Sissi und Thomas und ihren Familien. Die weiteren Gäste kamen aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik wie Staatsministerin Judith Gerlach, Staatssekretär Sandro Kirchner, Staatsministerin a.D. Ursula Männle, Staatssekretär a.D. Gerhard Eck, aus dem Deutschen Bundestag Paul Lehrieder, Andrew Ullmann, aus dem Bayerischen Landtag Patrick Friedl, Andrea Behr, Steffen Vogel, Björn Jungbauer, Walter Nussel, Alexander Flierl, Winfried Bausback, Dr. Hülya Düber als Vertreterin des Bezirkstagspräsidenten, Bürgermeisterin Judith Roth-Jörg, Landrat Thomas Eberth, zahlreiche Stadt- und Kreisrätinnen und -räte, aus den Kirchen und Religionsgemeinden der Präsident des Zentralrats der Juden und Vorsitzender der Israelitischen Gemeinde Würzburg Dr. Josef Schuster, Weihbischof Paul Reder, der emeritierte Bischof Friedhelm Hofmann, der emeritierte Weihbischof Ulrich Boom und Ahmet Bastürk, der Sprecher der Würzburger Moscheegemeinden. Die Musik kam von Quadro commodo.

Quelle: Stadt Würzburg – PM vom 29.10.2024